LIebe Ukraine-Interessierte,
hier ist nun wirklich der neue Newsletter. Tanja Gekaloff, die unsere Vereinswebsite betreut und dabei auch meinen Newsletter verschickt, hatte aus Versehen letzte Woche den alten Newslettter vom 02. Juli noch einmal versandt. Ich bitte das zu entschuldigen.
Unser Verein hat im Juli gleich 2 wichtige Begegnungsprojekte durchgeführt: eine Freundschaftsreise nach Lemberg, Kiew und Charkiw unter der kundigen Leitung von Prof. Diether Götz und einen Schüleraustausch. Die 18 Teilnehmer/innen waren tief beeindruckt nicht nur von den unterschiedlichen lebendigen Städten und historischen Sehenswürdigkeiten, sondern vor allem auch von erhellenden Begegnungen und Vorträgen über die Gegenwart sowie den Besuch der Projekte des Partnerschaftsvereins.
Gleichzeitig reisten 10 Schüler vom Sigmund-Schuckert-Gymnasium in die Ukraine nach Kiew und Charkiw, um sich mit 10 Charkiwer Schülern, intensiv mit dem Thema Erinnerung und Menschenrechte auseinanderzusetzen. Dabei standen wichtige Stätten der Ukraine wie der Maidan in Kiew, Regierungsgebäude und Parlament aber auch Gedenkstätten zum Holodomor, zum 2. Weltkrieg, Terror und Holocaust im Fokus. Der Rückblick auf die Vergangenheit wurde verbunden mit der Beschäftigung mit den Inhalten der Menschenrechte, ihrer Bedeutung und Gefährdung. Die Schüler erstellten in 3 Arbeitsgruppen wieder einen Blog mit Fotos, eine Umfrage und drehten mehrere eindrucksvolle Videoclips. Siehe https://charkiwnuernbergumweltblog.wordpress.com/ Das Projekt wurde gemeinsam mit dem Nürnberger Haus in Charkiw veranstaltet und großzügig gefördert durch das Programm "Meetup" der Stiftung Erinnerung Veranstwortung Zukunft und auch von der Stadt Nürnberg unterstützt. Ein Gegenbesuch der ukrainischen Schüler in Nürnberg ist im November geplant.
Erstaunlicherweise bekam man in der Woche vor den Parlamentswahlen nur wenig Wahlkampf mit. Wenig Plakate, eher für Direktkandidaten eher auf Zetteln als auf Plakaten, manchmal mit Schmähungen. Alles wirkte aber recht ruhig und verhalten. Unsere Gesprächs- und Projektpartner hatten auch wenig Lust auf politische Debatten, obwohl eine gewissen ermüdete Nervosität zu spüren war.
Die Auswahl meiner Links kreist vor allem um den Ausgang der Parlamentswahlen mit dem überwältigenden Wahlsieg der Selensky-Partei "Diener des Volkes" , die von 450 Sitzen im Parlament 254 erringen konnte. 43 Sitze erhielt die prorussische Oppositions-Plattform, 26 Sitze fallen auf Julia Timoschenkos Vaterlandspartei, 25 Sitze auf Poroschenkos "Europäische Solidarität" und 5 % für Holos (Stimme) des Rocksängers Vakartschuk. Hier sind einige STimmen und Kommentare dazu.
- Zum Hintergrund der Parlamentswahlen siehe den Länderbericht der Konrad Adenauer STiftung von Isabel Weininger im Anhang
- Michailo Minakov sieht Chancen für einen Neuanfang, weil eine neue GEneration ans Ruder kommt und die Obstruktion zwischen Exekutive und Legislative beendet werden könnte. Damiit wäre der Weg frei für Reformen. : https://www.wilsoncenter.org/blog-post/one-party-majority-just-another-victory-for-zelenskyy (24.7., engl.)
- Serhij Sumlenny , Leiter des Büros der Heinrich Böll STiftung in Kiew ist sehr viel skeptischer. Er sieht in den Ergebnissen, die eine Ein-Partei-Regierung möglich machen im Zusammenspiel mit Selenksys Neigung zum Populismus und zum Ignorieren institutioneller Regelabläufen einen Stresstest für die ukrainischen demokratischen Institutionen. https://www.boell.de/de/2019/07/11/die-parlamentswahlen-2019-der-ukraine-kein-sprung-ins-ungewisse (11.7., dt.)
- Claudia Detsch schätzt den Spielraum von Selelnski trotz des klaren Sieges als nur begrenzt ein, und er könnte sehr schnell seine Wähler enttäuschen. Auch Florian Kellermann vom Deutschlandfunk sieht postsowjetisches Denken am Werk, viel naive und populistische Sprüche
https://www.ipg-journal.de/interviews/artikel/pyrrhussieg-fuer-selenskyi-3617/
https://www.deutschlandfunk.de/ukrainischer-praesident-selenskyj-typisch-postsowjetisches.720.de.html?dram:article_id=454500
- Die alten Eliten sind aus dem Parlament weggefegt geworden. Aber was bringen die Neuen? Zu Selenskis Mannschaft zählen qualifizierte Politberater, REchtsanwälte und Anti-korruptions-Aktivisten aber auch Hochzeitsänger und Fotografen, und Leute mit starken Verbindungen zum Oligarch Ihor Kolomoisky und 17 Arbeitslose. Die Gefahr der Korrumpierung durch die schlechten Gewohnheiten im Parlament und schwache Institutionen ist groß. https://www.atlanticcouncil.org/blogs/ukrainealert/the-company-you-keep
- Die prorussische Partei "Für das Leben" ist zweitstärkste Kraft geworden: was kann das bedeuten? Russland versucht sich wieder mit Macht in die ukrainische Innenpolitik einzumischen.
https://ukraineverstehen.de/trubetskoy-partei-des-putin-freundes-im-hoehenflug/
https://www.kyivpost.com/ukraine-politics/after-laying-low-one-pro-russian-party-flies-high.html
ttps://en.hromadske.ua/posts/the-return-of-pro-russian-politicians?fbclid=IwAR06RmkqelWNW8ib8Damon5Xk1zmXcgaPu2811jvQRF-HPc6P-kc2YjIyKA
- Und Russland reagiert herablassend und mit Forderungen auf den Sieg Selenskys. Es verlangt, die russlandfreundlichen Politiker, allen voran Medvetschuk in die höchsten Ämter zu berufen und die Krim totzuschweigen.
sine Dornblüth: https://www.deutschlandfunk.de/nach-parlamentswahl-in-der-ukraine-russland-reagiert-mit.1773.de.html?dram:article_id=454443 (22.7., dt.)
Philipp Fritz weist in der Welt darauf hin, dass es in der Ukraine ohne Selensky nicht mehr geht, dass Russland aber gerade bei entscheidenden Fragen immer noch am längeren Hebel sitzt. https://www.welt.de/print/die_welt/politik/article197285085/Ohne-Wladimir-Selenski-geht-gar-nichts-ohne-Russland-auch-nicht.html (23.7., dt.)
Auch Andreas Rüesch von der NZZ weist darauf hin, dass Selenski mit dem Kremlherrn Putin als mächtigen Spielverderber rechnen muss.
https://www.nzz.ch/meinung/politischer-erdrutsch-in-der-ukraine-der-diener-des-volkes-erhaelt-verstaerkung-ld.1497490
- Die ukrainische Diaspora wählte anders: sie zogen mehrheitlich Poroschenko vor.
https://www.kyivpost.com/ukraine-politics/ukraine-voted-for-zelenskys-party-diaspora-voters-had-other-ideas.html
- Weitere Themen:
Diesmal sind mir aus Zeitmangel die Kommentare nur im Telegrammstil geraten. Wie immer aber herzlichen Dank an Vera Ammer, der ich wieder für viele dieser Links verpflichtet bin.
Beste Grüße und einen nicht zu heißen August
Antje Rempe
